Handlungshilfen zur Gefährdungsbeurteilung

Allgemeine Hinweise

A- A A+

Die folgenden Informationen sind der RISU 2014 1031/1 entnommen worden.

Die auf der Webseite www.chemiestun.de vorhandenen Gefährdungsbeurteilungen wurden nach den durch die RISU vorgeschlagenen Vorgehensweisen durchgeführt - nach bestem Wissen und unter Berücksichtigung aller Gefährdungsfaktoren. Sie sind herzlich eingeladen, die vorhandenen Gefährdungsbeurteilungen zu kommentieren und im Unterricht zu verwenden.

Die Macher der Webseite www.chemiestun.de weisen darauf hin, dass aus den Muster-Gefährdungsbeurteilungen keine Rechtsansprüche oder Haftungsfragen abgeleitet werden können und jede Lehrkraft verpflichtet ist, sich vor der Versuchsdurchführung mit den experimentellen Gegebenheiten genauestens vertraut zu machen.

Stefan Klocke

I - 3.4.1: Geringe Gefährdung: Grundsätze für die Verhütung von Gefährdungen

A- A A+

(nach: § 6 Abs. 11 und § 8 GefStoffV)

Zunächst werden Mindeststandards für eine gute Arbeitspraxis bei Tätigkeiten mit Arbeitsstoffen, unabhängig davon, ob es sich um gefährliche Stoffe handelt, beschrieben.

Diese Grundsätze sind als Maßnahmen für Tätigkeiten ausreichend, wenn aufgrund

  • der dem Gefahrstoff zuordneten Gefährlichkeitsmerkmale,
  • einer geringen verwendeten Stoffmenge,
  • der Arbeitsbedingungen,
  • einer nach Art, Dauer und Ausmaß niedrigen Exposition

insgesamt eine geringe Gefährdung vorliegt.

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist zu prüfen, welche der folgenden Maßnahmen zur Minimierung der Gefährdung erforderlich sind:

  • Gestaltung der Schüler- und Lehrerarbeitsplätze und der Arbeitsorganisation,
  • Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel,
  • Begrenzung der Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die mit Gefahrstoffen arbeiten oder ihnen ausgesetzt sind,
  • Begrenzung der Dauer und des Ausmaßes der Exposition,
  • angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
  • Begrenzung der an den Arbeitsplätzen vorhandenen Gefahrstoffe auf die erforderliche Menge,
  • Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten.

Auf das Erstellen einer Betriebsanweisung (siehe RISU I – 3.16) kann verzichtet werden.

Auf eine detaillierte Dokumentation kann bei Tätigkeiten mit geringer Gefährdung verzichtet werden.

Eine Ersatzstoffprüfung kann auch bei geringer Gefährdung sinnvoll sein, um das Verwenden eines Gefahrstoffes vermeiden zu können.

Um die gute Arbeitspraxis in der Schule zu erfüllen, sind die Anforderungen der Checkliste Handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit chemischen Arbeitsstoffen – III – 2.4.5 als Mindeststandard umzusetzen.

Auch bei Tätigkeiten mit Stoffen, die mit dem Totenkopf gekennzeichnet sind, kann bei geeigneten Bedingungen eine geringe Gefährdung vorliegen.

Beispiele für Tätigkeiten mit geringer Gefährdung in der Schule sind das Kleben von Materialien im Unterricht mit lösemittelhaltigen Klebstoffen in geringem Umfang (z. B. mit Klebstofftuben), Löten mit bleifreiem Lot, Arbeiten mit Gips, Verarbeiten von Dispersionsfarben, Auftragen eines Tropfens verdünnter Nitrotoluollösung auf eine DC-Platte.

III - 2.4.1: Handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen

A- A A+

Einleitung

Die nachfolgenden Ausführungen beinhalten einen Vorschlag zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung.
Die Gefährdungsbeurteilung steht im Mittelpunkt der Gefahrstoffverordnung und muss vor Aufnahme der Tätigkeit von einer fachkundigen Person durchgeführt und dokumentiert werden. In Abhängigkeit von Tätigkeiten und den gefährlichen Eigenschaften der verwendeten Stoffe und Gemische müssen die notwendigen Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Dabei sind insbesondere folgende Punkte gemäß § 6 Gefahrstoffverordnung zu berücksichtigen:

  • Gefährliche Stoffeigenschaften (zum Beispiel: R-Sätze)
  • Sicherheitsinformationen des Herstellers (zum Beispiel: S-Sätze)
  • Ausmaß, Art und Dauer der Exposition unter Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen und -verfahren sowie der verwendeten Mengen
  • Möglichkeiten einer Substitution
  • Arbeitsplatzgrenzwerte und biologische Grenzwerte
  • Wirksamkeit der getroffenen und zu treffenden Schutzmaßnahmen
  • Physikalisch-chemische Wirkungen (zum Beispiel: Brand- und Explosionsgefahren)

Die Schule kann sich hierbei insbesondere folgender Informationsquellen bedienen:

  • Gefahrstoffliste DGUV Regel 2004.
  • sowie einschlägiger Sicherheitsdatenblätter des Herstellers oder Lieferanten.

Das nachfolgende Flussdiagramm beschreibt den grundsätzlichen Ablauf der Gefährdungsbeurteilung. (Es ist entnommen aus: Prävention in NRW, Heft 3, Umsetzung der Gefahrstoffverordnung an Schulen (Teil 1).)
Wichtige Stationen sind:

  • die Substitutionsprüfung
  • das Schema I
  • das Schema II
  • das Schema III.

Flussdiagramm

A- A A+

Flussdiagramm Gefährdungsbeurteilung

I - 3.4.1
und
III - 2.4.5
Schutzbrillenpflicht Schutzbekleidung Pflicht Abzug Pflicht Geschlossenes System Pflicht Lüftungsmaßnahmen PflichtOffenes Feuer vermeiden Weitere Maßnahmen

Schema I: Gefahren durch Einatmen und Hautkontakt

A- A A+
Beurteilung
(nach §§ 8 und 9 GefStoffV)
Maßnahmen
Xn
Xn

Xi
Xi

C
C

kein
KMR 1
oder
2
  • Ausmaß und Art der Exposition
  • Gefährliche Eigenschaften
  • Gefahrstoffmenge
  • Info des Herstellers
Geringe Gefährdung wenn:
  • geringe Stoffmengen
  • kurze Expositionsdauer
  • niedrige Expositionshöhe
  • geeignete Arbeitsbedingungen (z. B. kein Hautkontakt)
ja → Grundsätze:
Vorgaben der RiSU I – 3.4.1 einhalten
Keine Dokumentation notwendig
III – 2.4.5
Schutzbrille Pflicht
nein → Grundmaßnahmen:
  • Versuch nach dem Stand der Technik durchführen
  • Dauer und Ausmaß der Exposition minimieren
  • Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes überprüfen (z. B. Berechnung, Analogieschluss)
  • Betriebsanweisung/Unterweisung (I – 3.16)
  • Lüftungsmaßnahmen
III – 2.4.5
und
Schutzbrille Pflicht
Schutzausrüstung Pflicht
Abzug Pflicht
Lüftungsmaßnahmen Pflicht
T
T, T+

kein
KMR 1
oder
2
Werden Tätigkeiten mit T oder T+ gekennzeichneten Stoffen durchgeführt?
Informationen:
  • Sicherheitsdatenblatt (I – 3.2.1)
  • DGUV Regel 2004 Gefahrstoffliste
  • Elektronische Datenbanken für den Schulbereich
ja → Maßnahmen bei hoher Gefährdung:
  • geschlossenes System oder Abzug verwenden (I – 3.4)
  • u. U. Gefahrenbereich kennzeichnen
  • Zutritt nur für Beschäftigte
  • Gefahrstoffe unter Verschluss halten (I – 3.12.3)
  • ggf. weitere Maßnahmen erforderlich (Arbeitsplatzmessungen und/oder Vorsorgeuntersuchungen
  • Verwendungsverbote und Tätigkeitsbeschränkungen beachten (I – 3.5 bis I – 3.7)
  • Betriebsanweisung/Unterweisung (I – 3.16)
III – 2.4.5
und
Schutzbrille Pflicht
Schutzausrüstung Pflicht
Abzug Pflicht
oderGeschlossenes System Pflicht
Beurteilung
(nach § 10 GefStoffV)
Maßnahmen
T
T, T+

und
KMR 1
oder
2
Werden Tätigkeiten mit krebserzeugenden, erbgutverändernden oder fruchtbarkeitsgefährdenden Stoffen der Kategorien 1 oder 2 durchgeführt?
  • Kennzeichnung mit R45, R46, R49 oder R60
  • Stoff nach TRGS 905

Informationen:
  • Sicherheitsdatenblatt (I – 3.2.1)
  • DGUV Regel 2004 Gefahrstoffliste
  • Elektronische Datenbanken für den Schulbereich
ja → Maßnahmen bei KMR-Stoffen:
  • geschlossenes System oder Abzug verwenden
  • u.U. Gefahrenbereich kennzeichnen
  • Zutritt nur für Beschäftigte
  • Gefahrstoffe unter Verschluss halten (I – 3.12)
  • ggf. weitere Maßnahmen erforderlich (Arbeitsplatzmessungen und/oder Vorsorgeuntersuchungen)
  • Verwendungsverbote und Tätigkeitsbeschränkungen beachten (I – 3.5 bis I – 3.7)
  • Betriebsanweisung/Unterweisung (I – 3.16)
III – 2.4.5
und
Schutzbrille Pflicht
Schutzausrüstung Pflicht
Abzug Pflicht
oderGeschlossenes System Pflicht

Schema II: Gefahren durch Brand oder Explosion

A- A A+
BeurteilungMaßnahmen
R10

F
F

F+
F+
Ist der Stoff entzündlich (R10), leichtentzündlich oder hochentzündlich? ja →
  • Mengen auf notwendiges Maß begrenzen
  • unbeabsichtigtes Freisetzen verhindern
  • vollständige Erfassung und gefahrlose Beseitigung freigesetzter Stoffe
  • Rauchen und offenes Feuer verboten
  • Zutrittsverbot für Unbefugte
  • Gestaltung des Arbeitsbereiches (Flucht- und Rettungswege, Feuerlöscheinrichtungen)
Offenes Feuer verboten
Kann eine explosionsfähige Atmosphäre entstehen?
  • Aufgewirbelte Stäube
  • Hochentzündliche Gase F+
  • Dämpfe oder Nebel von hoch- oder leichtentzündlichen Flüssigkeiten (F, F+)
  • Dämpfe oder Nebel von brennbaren beziehungsweise entzündlichen Flüssigkeiten, wenn die Verarbeitungstemperatur über dem Flammpunkt liegt
ja → Rangfolge der Schutzmaßnahmen Bildung explosionsfähiger Atmosphäre verhindern und Zündquellen vermeiden (II – 2.2 und 2.3) Schutzbrille Pflicht
Abzug Pflicht
Lüftungsmaßnahmen Pflicht
Offenes Feuer verboten
E
E
Ist der Stoff oder das Gemisch explosionsgefährlich?
  • Kennzeichnung: Symbol E

Information:
  • Sicherheitsdatenblatt (I – 3.2.1)
  • DGUV Regel 2004 Gefahrstoffliste
  • Elektronische Datenbanken für den Schulbereich
ja → (I – 4.1 und II – 2.2) Schutzbrille Pflicht
Schutzscheibe
Abzug Pflicht
O
O
Ist der Stoff oder das Gemisch brandfördernd?

Information:
  • Sicherheitsdatenblatt (I – 3.2.1)
  • Gefahrstoffliste DGUV Regel 2004
  • Elektronische Datenbanken für den Schulbereich
ja →
  • Kontakt mit brennbaren Stoffen verhindern
  • Zusammenlagerungsverbot beachten (I – 3.12)
  • Sonderfall organische Peroxide (II – 2.2.3)
 

Schema III: Sonstige Gefahren

A- A A+
BeurteilungMaßnahmen
Liegen Gefahren vor durch narkotisch wirkende Lösemittel?
Beispiel: Diethylether
ja → Tätigkeiten mit diesen Lösemitteln unter einem Abzug oder mit kleinen Mengen (ml) bei ausreichend guter Raumlüftung. III – 2.4.5
und
Abzug Pflicht
Lüftungsmaßnahmen Pflicht
Liegen Gefahren vor durch erstickende Chemikalien?
Beispiele: Stickstoff, Kohlenstoffdioxid
ja → zeitliche Begrenzung und Mengenbegrenzung, ausreichend gute Raumlüftung. III – 2.4.5
und
Lüftungsmaßnahmen Pflicht
Liegen Gefahren vor durch tiefkalte Medien?
Beispiele: flüssiger Stickstoff, Trockeneis
ja → technische Hilfsmittel (snow-pack), zeitliche Begrenzung auf 1 Min., Kälteschutzhandschuhe, ausreichend gute Raumlüftung. III – 2.4.5
und
Schutzhandschuhe Pflicht
Lüftungsmaßnahmen Pflicht
Liegen Gefahren vor durch heiße Medien?
Beispiel: Thermit-Verfahren
ja → Ausführung der Thermit-Reaktion im Freien, Auffangen des Reaktionsprodukts im Sandbett, ausreichender Schutzabstand für Personen III – 2.4.5
und
Schutzbrille Pflicht
Liegen weitere sonstige Gefahren vor, z. B. durch folgende Eigenschaften:
- erhöhter Druck: Flüssigkeiten, Gase, Dämpfe
- chronisch schädigend: Feinstäube
- explosionsfähig: brennbare Stäube
- vorschädigend: hautentfettende Lösemittel?
ja → Geeignete Schutzmaßnahmen gegen mögliche Gefahren ergreifen und dokumentieren. III – 2.4.5
und
Schutzbrille Pflicht
Schutzhandschuhe Pflicht
Abzug Pflicht
Lüftungsmaßnahmen Pflicht

Erläuterungen zur Anwendung der Schemata

A- A A+

Zusammen mit der Tätigkeitsbeschreibung, zum Beispiel in Form eines Arbeitsblattes oder einer Versuchsbeschreibung kann dann die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden. Dabei sind die verwendeten Arbeits- und Gefahrstoffe unter Angabe der Mengen anzugeben. Daraus resultiert die Festlegung von Schutzmaßnahmen zur Vermeidung oder größtmöglichen Reduzierung der Gefährdungen durch technische, organisatorische oder persönliche Schutzmaßnahmen.

Die Dokumentation der festgelegten Schutzmaßnahmen geschieht durch Ankreuzen auf dem Formblatt des Flussdiagramms: Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung. Wenn zusätzliche Maßnahmen, zum Beispiel organisatorischer Art notwendig sind, können diese im Textfeld Weitere Maßnahmen oder separat dokumentiert werden.

Für jede Tätigkeit und jedes Experiment muss diese Gefährdungsbeurteilung (nur) einmal zur Festlegung der notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt werden. Tätigkeiten und Experimente mit ähnlicher Gefährdung können zusammenfassend behandelt werden; das bedeutet in der Praxis: Es muss nicht jede einzelne Tätigkeit bzw. jeder Einzelversuch separat beurteilt werden. Bei wesentlichen Änderungen der Rahmenbedingungen der durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen (zum Beispiel geänderter Versuchsablauf, Änderungen der Gefahrstoffeinstufungen) sind die Gefährdungsbeurteilungen jedoch zu aktualisieren.

Die Wirksamkeit aller getroffenen Schutzmaßnahmen ist grundsätzlich zu überprüfen.

Bei neuen Tätigkeiten oder Experimenten mit neuen Arbeits-/Gefahrstoffen ist für diese Tätigkeiten und Stoffe eine neue Gefährdungsbeurteilung zu erstellen.